Sitzung: 08.06.2015 IR/0008/2015
Zusatz: Mehrheitlich ohne die Stimmen der Ratsmitglieder
Beschluss: ungeändert beschlossen
Vorlage: AN/0846/2015
Beschluss:
Der Integrationsrat verabschiedet die in der Anlage beigefügten Wahlprüfsteine und bittet die Kandidat*innen um Positionierung, Stellungnahme und Unterstützung.
Wahlprüfsteine zu den Neuwahlen
der Oberbürgermeisterin
/ des Oberbürgermeisters
33% aller
Kölner*innen und über 50% der unter 18jährigen Kölner*innen haben in unserer
Stadt einen Migrationshintergrund. Der Integrationsrat Köln ist das
demokratisch gewählte Gremium der Kölner*innen mit Migrationshintergrund und
sieht seine Aufgabe darin, den Prozess des ethnischen demografischen Wandels in
dieser Stadt aktiv politisch zu begleiten. Das Zusammenleben in unserer Stadt
funktioniert gut – damit dies so bleibt, muss dieser Prozess des Wandels
aufmerksam begleitet werden. Eventuell sich abzeichnende Fehlentwicklungen oder
‚Schräglagen‘ müssen rechtzeitig erkannt werden, um aktiv gegensteuern zu
können. Der Integrationsrat Köln sieht sich hier in der politischen Pflicht.
Vor dem
Hintergrund der Neuwahlen der Oberbürgermeisterin / des Oberbürgermeisters hat
der Integrationsrat Köln Erwartungen und Forderungen formuliert, die elementar
notwendig sind, um den Prozesses der Zuwanderung in unserer Stadt aktiv zu
begleiten.
1. Integration
als Chefsache
Paradigmenwechsel im Verständnis des Themas - Ansiedlung bei der
Oberbürgermeisterin/dem Oberbürgermeister
Aufgrund des ethnisch demografischen
Wandels der Gesellschaft ist ein Paradigmenwechsel im Denken und des Umgangs
mit dem Thema Migration/Integration erforderlich. Migration / Integration darf
nicht weiter aus der Defizitperspektive diskutiert werden, sondern die damit
verbundenen Potentiale müssen gesehen und für die Stadtgesellschaft genutzt
werden.
Das Thema gleichberechtigte Teilhabe und Potentialförderung von ‚Menschen mit
Migrationshintergrund‘ muss in der Verwaltung als Querschnittsthema (analog dem
Thema Gender) ständig mitgedacht werden – Mehrsprachigkeit sowie Bi- und
Mehrkulturalität müssen als Chance für die Entwicklung der Stadt erkannt
werden. Eine interkulturelle Öffnung der Stadtverwaltung ist erforderlich -
sämtliche Angebote und Dienstleistungen der Stadt sind dahingehend zu prüfen,
ob sie tatsächlich auch von allen Bürger*innen der Stadt genutzt werden können.
Die aktuell in der
Stadtverwaltung praktizierte Begleitung und Bearbeitung des Themas Migration /
Integration ist sowohl hinsichtlich der personellen Ausstattung als auch der
strukturellen Anbindung zu überprüfen und zu verbessern.
Um die Bedeutung und Wichtigkeit dieses Themas für die Entwicklung der Stadt in
Verwaltung und Öffentlichkeit herauszustellen, muss dies Chefinnen- bzw.
Chefsache werden.
Der
Integrationsrat erwartet von der
neuen Oberbürgermeisterin / dem neuen Oberbürgermeister:
-
ein aktives öffentliches
Eintreten für einen Paradigmenwechsel in der Diskussion des Themas Migration /
Integration in der Stadt (z.B. in Form einer Kampagne)
-
eine verwaltungsinterne
Stärkung des Themas durch Ansiedlung der damit befassten Verwaltungseinheiten
beim Amt der Oberbürgermeisterin / des Oberbürgermeisters
-
einen Ausbau der
personellen und finanziellen Ressourcen zur konsequenten Umsetzung einer
Interkulturellen Öffnung in der Verwaltung und der Stadt.
Hierfür gibt es in anderen deutschen Städten wie z.B. München, Stuttgart,
Frankfurt usw. sehr interessante und evtl. auf Köln übertragbare Modelle.
2. Stärkung
der politischen Entscheidungskompetenzen des Integrationsrates
Die
Landesregierung NRW hat 2013 mit dem Gesetz zur „Weiterentwicklung der
politischen Partizipation und zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher
Vorschriften“ sehr deutlich die Intentionen und Ziele einer modernen Migration-
und Integrationspolitik formuliert. Der Wunsch des Landes nach
Weiterentwicklung und Stärkung der Arbeit der Integrationsräte ist klar
formuliert und wurde mit der Etablierung des Gremiums ‚Integrationsrat‘ als einem
durch die Gemeindeordnung vorgeschrieben Pflichtausschuss unterstrichen. Mit
seiner besonderen Zusammensetzung mit 11 Ratsmitglieder (in Ausschussstärke)
und 22 direkt gewählten Vertreter*innen der Migranten soll und kann er den
Prozess des ethnischen demografischen Wandels in dieser Stadt politisch und
fachlich in besonderer Weise begleiten.
Vor diesem
Hintergrund der landespolitischen Intention bzgl. einer Weiterentwicklung der
politischen Partizipation hat der Integrationsrat im Frühjahr 2014 den Rat
einstimmig (!) gebeten, eine Erweiterung der Zuständigkeiten des
Integrationsrates zu beschließen.
Der
Integrationsrat fordert von der
neuen Oberbürgermeisterin / dem neuen Oberbürgermeister:
die aktive
Unterstützung bei der Umsetzung der vom Integrationsrat geforderten Übertragung
folgender Entscheidungsbefugnisse:
Der Integrationsrat erhält ein vorberatendes Entscheidungsrecht vor der
Beschlussfassung durch den Rat zu:
1) Interkulturellen Grundsatzangelegenheiten (Konzept zur Stärkung der
integrativen Stadtgesellschaft) und Interkulturellem Maßnahmenprogramm.
2) Erstellung von
Richtlinien zur interkulturellen Öffnung der Verwaltung und zur
Potentialförderung von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte.
Der Integrationsrat erhält ein abschließendes Entscheidungsrecht zu:
1) Arbeitsschwerpunkten des gem. § 7 des Gesetzes zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in
Nordrhein-Westfalen betriebenen Kommunalen Integrationszentrums
in Köln, soweit die Entscheidung nicht gem. § 41 Abs. 1 Satz 2 lit. g GO dem
Rat obliegt
2) Richtlinien (einschließlich Bewilligungsbedingungen) und Verteilung
der Mittel
- für die Arbeit
von Interkulturellen Zentren, Vereinen und Initiativen, die in der Migrations-
und Integrationsarbeit tätig sind
- für Integrationsprojekte (auch für EU-, Bundes- und Landesprojekte)
- für Antirassismusprojekte.
Darüber hinaus fordert der Integrationsrat
- die Sicherstellung einer unmittelbaren Weiterleitung von Beschlüssen
des Integrationsrates an den Rat, falls dies so im Integrationsrat entschieden
wurde
- die Aufnahme eines regelmäßigen Tagesordnungspunktes
‚Integrationsrelevante Themen‘ auf die Tagesordnungen des Rates und der
Ausschüsse.
3. Personelle
Aufstockung der Geschäftsstelle Integrationsrat
Zur administrativen
und inhaltlichen Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit der Ratsmitglieder
erhalten die Fraktionen Finanzmittel zur Beschäftigung entsprechenden
Personals, Nutzung von Räumlichkeiten etc.
Die 22 direkt
gewählten Integrationsratsmitglieder erhalten nahezu keine administrative und
inhaltliche Unterstützung ihrer Arbeit, denn aktuell ist die Stelle
Ausschusssachbearbeitung/ Geschäftsführung Integrationsrat nur mit ½ Stelle
besetzt. Dieser Umstand erschwert die Arbeit der direkt gewählten Mitglieder in
ganz erheblichem Masse, muss als mangelnde Wertschätzung des Pflichtgremiums
‚Integrationsrat‘ bewertet werden und ist nicht weiter hinnehmbar.
Der
Integrationsrat fordert von der
neuen Oberbürgermeisterin / dem neuen Oberbürgermeister:
Verbesserung der Arbeitsbedingungen
des Integrationsrates durch Aufstockung der bisherigen ½ Stelle um mindestens
eine weitere ½ Stelle auf eine volle Stelle für die Ausschusssachbearbeitung /
Geschäftsführung und Unterstützung des Integrationsrates.
4. Umsetzung
der Forderungen aus dem Interkulturellen Maßnahmenprogramm + Umsetzung des
Beschlusses des Integrationsrates zur Einrichtung von bilingualen
herkunftssprachlichen Kindergartengruppen
Im Februar 2011
wurde dem Rat der Stadt Köln das ‚Konzept zur Stärkung der interkulturellen
Stadtgesellschaft‘ (Integrationskonzept) vorgelegt. Ca. 300 Personen aus der
Kölner Stadtgesellschaft hatten daran mitgearbeitet. Expertengruppen, bestehend
aus Vertreter*innen der Fachämter, der Interkulturellen Zentren, des
Integrationsrates, der Freien Träger und sachkundige Bürger*innen wurden
gebeten, konkrete Ideen zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen aus dem
Integrationskonzept zu entwickeln.
Konkrete Handlungsempfehlungen der
Expertengruppen liegen vor, wurden von der Verwaltung bewertet und im
Integrationsrat und den Fachausschüssen ausführlich diskutiert. Die Verwaltung
ist beauftragt, konkrete Beschlussvorlagen zur abschließenden Beschlussfassung
vorzulegen.
Der Integrationsrat fordert
von der neuen Oberbürgermeisterin / dem neuen Oberbürgermeister:
Unterstützung zur Umsetzung der Beschlüsse des Integrationsrates zur
·
zügigen Umsetzung der im
Integrationsrat und den Fachausschüssen beschlossenen Maßnahmenempfehlungen aus
dem ‚Interkulturellen Maßnahmenprogramm‘
·
Einrichtung eines
Integrationsbudgets in Höhe von 1,5 Mill. € zur Finanzierung von Maßnahmen aus
dem Interkulturellen Maßnahmenprogramm.
Der Integrationsrat setzt sich seit vielen
Jahren für die Förderung der natürlichen Mehrsprachigkeit durch Einrichtung
bilingualer herkunftssprachlicher Gruppen in Kindertagesstätten ein. Hierbei
geht es den Mitgliedern des Integrationsrates nicht nur um die Nutzung der
bereits vorhandenen Sprachpotentiale von Kindern beim weitgehend mühelosen
Erlernen mehrerer Sprachen bereits im Kindergartenalter, sondern insbesondere
auch um einen Akt aktiver Wertschätzung der seitens der Kinder mit
Migrationshintergrund ‚mitgebrachten‘ Familiensprachen.
Der Integrationsrat fordert von der neuen Oberbürgermeisterin / dem neuen Oberbür-germeister:
·
Umsetzung des
langjährigen Beschlusses des Integrationsrates zu bilingualen
Kindergartengruppen und kurzfristige Einrichtung von 10 bilingualen
herkunftssprachlichen Gruppen in städtischen Kitas als Signal einer
Potentialförderung unserer Kinder und klares Statement einer Wertschätzung der
‚mitgebrachten‘ Familiensprachen.
Abstimmungsergebnis:
Einstimmig mit allen Stimmen der direkt gewählten Mitglieder des Integrationsrates beschlossen bei Enthaltung aller vom Rat entsandten Mitglieder.