Nachtrag: 03.03.2020

Zusatz: zugesetzt

Beschluss: geändert beschlossen

Beschluss:

Die Mitglieder des Integrationsrates verständigen sich nach Diskussionen auf folgenden Resolutionstext:

„Der Integrationsrat beschließt:

  1. Nachfolgende Erklärung:

 

Strategisches Ziel der rechtsextremistischen Gruppen und ihrer Anschläge auf Migrant*innen ist deren Vertreibung aus Deutschland. Dies ist der Grund, warum sie Anschläge verüben und versuchen, möglichst viele Menschen zu töten.

Dies sind Angriffe auf das friedliche Zusammenleben aller Menschen.

Als Reaktion auf diese Anschläge fehlt nach wie vor eine durchgängige klare Positionierung von Politik, Medien und Gesellschaft in deutlichen unmissverständlichen Worten, verbunden mit praktischem Handeln. Es fehlt die klare Aussage, dass alle hier lebenden und vor allem die hier geborenen und aufgewachsenen Menschen fester Bestandteil unserer Gesellschaft sind und ohne Wenn und Aber zu diesem Land gehören, und es fehlt die Umsetzung konkreter Maßnahmen, die diese Worte glaubhaft machen.

Dies verunsichert weiterhin viele Migrant*innen, macht sie zunehmend sprachlos, traurig, ratlos und wütend.

Die zentrale Antwort auf die rechtsextremistischen Morde muss sein, den hier lebenden Migrant*innen unmissverständlich das Grundgefühl zu vermitteln, dass dies auch ihr Land und ihre Heimat ist. Die tiefe Verunsicherung, wie dieses Land zur Migration und ihren Migrant*innen steht, hat eine lange Geschichte. Sie begann in Solingen, Mölln und Hoyerswerda und zieht sich über die NSU Anschläge (auch in Köln), die Ermordung des Regierungspräsidenten Lübke bis zu den jüngsten Anschlägen und Morden in Halle und jetzt in Hanau durch.

Die schreckliche Geschichte rechtsradikaler Morde wiederholt sich, aber es ändert sich faktisch im Umgang mit dem Rassismus zu wenig. Deutschland steht vor dem Ergebnis einer zur Frage von Migration und Umgang mit Migrant*innen zu lange unentschiedenen Gesellschaft. Wir können es uns aber nicht leisten, diese Menschen mit Zuwanderungsgeschichte zu verlieren.

Es ist jetzt zwar positiv, dass sich nach dem Anschlag in Hanau viele Menschen aus Politik und Gesellschaft sofort eindeutig gegen den Rassismus positioniert haben und auch die Flaggen auf halbmast gesetzt wurden. Der Integrationsrat der Stadt Köln begrüßt auch die klare Positionierung und Erklärungen des gestrigen Integrationsgipfels in Berlin mit der Implementierung des Nationalen Aktionsplans Integration. Ziele des Aktionsplans sind die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts und die systematische Gestaltung der Integration. Dazu gehört auch der entschiedene Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung von Menschen mit Einwanderungsgeschichte.

Allerdings herrscht aufgrund der langjährigen negativen Erfahrungen weiter großes Misstrauen, denn zu oft wurden in der Vergangenheit große Reden gehalten, ohne dass diesen Reden Worte und konkrete Taten folgten. Zu groß bleibt das Misstrauen, wenn jetzt von vormaligen erklärten Gegnern der Zuwanderung große Trauerworte der Betroffenheit und Solidarität formuliert werden.

Wie können wir verlorenes Vertrauen wieder gewinnen - wie schaffen wir es, dass Migrant*innen in unserm Land glauben, dass wir es ernst mit unseren Worten meinen und sie in diesem Land erwünscht sind.

Erwartet werden konkrete Taten!

Deshalb müssen Städte und Gemeinden den Bund nun beim Wort nehmen und auf die schnelle Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Integration drängen.

 

  1. Dass er sich in einem Workshop vertieft mit Themen beschäftigt, die das Ziel haben, konkrete Maßnahmen zum Abbau von Rassismus und die Stärkung der solidarischen Stadtgesellschaft weiter zu entwickeln. Die in der Anlage beigefügten Maßnahmen sind Bestandteil des Workshops.“

 

Anlage:

Es geht nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern um gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Es handelt sich nicht um ausländer- oder fremdenfeindliche, sondern um menschenfeindliche Anschläge.
Es gibt in unserer Gesellschaft Personen, die nicht akzeptieren können, dass hier Menschen leben, die anders sind als sie selber und z.B. anders aussehen oder eine andere Kultur oder Religion haben.
Diese Menschenfeindlichkeit bezieht sich auf ganze Gruppen, wie jetzt in Hanau auf Migrant*innen (gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit). Allerdings muss auch klar sein, dass mit diesem menschenfeindlichen Weltbild nur die Mitglieder der eigenen Gruppe akzeptiert werden und nach den Migrant*innen auch weitere Gruppen, wie Jüdinnen und Juden, Roma und Sinti, LSBTIQ, Behinderte und Frauen bedroht werden.

Es muss öffentlich deutlich gemacht werden, dass es bei den Anschlägen nicht um Ausländer-oder Fremdenfeindlichkeit geht, sondern um Menschenfeindlichkeit.

Es muss eine eindeutige Aussage gemacht und regelmäßig wiederholt werden, dass Migrant*innen selbstverständlicher Bestandteil der Kölner Stadtgesellschaft sind und damit dazugehören.

Interkulturelle Öffnung der Verwaltung umsetzen

Es ist ein sowohl für die 62% deutsch-deutschen als auch die 38% migrantischen Kölner*innen ein wichtiges Signal, wenn in der Kölner Verwaltung die Vielfalt der Stadt in angemessener Weise widergespiegelt wird.
Daher muss der Prozess der interkulturellen Orientierung -und Öffnung der Verwaltung verstärkt umgesetzt werden.

Dies muss
- durch eine entsprechende Einstellungspolitik und Erhöhung der Zahl von migrantischen Mitarbeitenden,
- durch ansprechende Fortbildungen der städtischen Belegschaft zur interkulturellen Sensibilität und des Erkennens von persönlichen und strukturellen Rassismen erfolgen,
- mit einer Öffnung des Zugangs zu städtischen Angeboten und Dienstleistungen für Kölner Migrant*innen
erfolgen.
Bei städtischen Publikationen ist insbesondere bei der Bebilderung darauf zu achten, dass diese die Vielfalt der tatsächlichen Stadtbevölkerung widerspiegelt.

NSU - Mahnmal in Köln- Mülheim realisieren

Der Umgang mit dem NSU bzw. dem Gedenken an die Opfer des Rechtsextremismus ist für die migrantische Community zentral dafür, wie ernst es die deutsch-deutsche Gesellschaft es mit der Bekämpfung des Rassismus tatsächlich meint.
Nachdem aufgrund des undurchsichtigen Agierens u.a. des Verfassungsschutzes eine Aufklärung des NSU-Komplexes nicht möglich war, ist es umso wichtiger, in Köln zu zeigen, dass dieses Thema sehr ernst genommen wird.
Das geplante Kölner Mahnmal mit seinen über eine App abrufbaren virtuellen Wänden ist zudem ein ausgezeichnetes pädagogisches Angebot an Schulen zur Befassung mit dem Thema Rassismus und Rechtsextremismus.

Bei der Realisierung des Mahnmals ist zuerst der Investor der Fläche an der Keupstraße / Ecke Schanzenstraße gefragt bzw. alle in der Stadtgesellschaft, die eine Möglichkeit sehen, auf ihn Einfluss zu nehmen.
Auch die Stadtplanung ist aufgefordert, noch einmal in Verhandlungen mit dem Eigentümer zu treten und die Erstellung und Abstimmung eines Bebauungsplans zu verabreden.
Die Politik ist gefordert, gegebenenfalls eine Nutzung des Vorkaufsrechtes für das Grundstück zu entscheiden, um das Mahnmal umzusetzen.

 

Interkulturelle Sensibilisierung der Kölner Medienlandschaft

 

Es ist ein sowohl für die 62% deutsch-deutschen als auch die 38% migrantischen Kölner*innen ein wichtiges Signal, wenn in den Kölner Medien die Vielfalt der Stadt in angemessener Weise widergespiegelt wird.

 

Die Kölner Medien können einen wichtigen Beitrag zur interkulturellen Sensibilisierung in unserer Stadt leisten.
Eine interkulturelle Sensibilisierung kann darüber erfolgen, dass den Redakteur*innen gespiegelt wird, wie
- Serien über Clankriminalität,
- Nennung der ethnischen Abstammung bei der Kriminalberichterstattung,
- Nutzung von Bildern kopftuchtragender Frauen als Motivbilder bei der Berichterstattung über Geflüchtete und Migranten,
- Nichtberücksichtigung von migrantischen Kölner*innen bei der Berichterstattung über kommunale Allgemeinthemen und gleichzeitige Reduzierung ausschließlich auf migrantische Themen
- etc.
in der migrantischen Community und auch in der Mehrheitsgesellschaft wirken.

20 + 1 Bäume an Schulen pflanzen

Hintergrund dieser Initiative des Landesintegrationsrates ist, dass in der Vergangenheit verschiedentlich Bäume, die zum Gedenken an die Opfer des NSU in einigen Städten gepflanzt worden waren, zerstört wurden.

Der Integrationsrat möchte zum 25. Jahrestag der Gründung des Verbundes der ‚Schulen mit Courage‘, diese Schulen bitten, in Kooperation mit dem Grünflächenamt 20 + 1 Bäume auf Kölner Schulhöfen zu pflanzen und zu pflegen.
Ursprünglich sollte diese Aktion im Gedenken an die Opfer des NSU ‚10 + 1 Bäume‘ genannt werden. Schrecklicherweise müssen jetzt weitere Opfer dazugezählt werden.
Es soll damit signalisiert werden, dass diese Opfer nicht vergessen sind.

Potentiale sichtbar machen

Migration wird in der Gesellschaft oftmals immer noch als defizitär wahrgenommen und diskutiert.

Wichtig ist, die Potentiale von Migration und den Kölner*innen mit Migrationshintergrund in den öffentlichen Fokus zu rücken.

Hierdurch können eine dringend notwendige Wertschätzung der Kölner*innen mit Migrationshintergrund erfolgen und die Potentiale der mitgebrachten Sprachen und kulturellen Kompetenzen für die Stadtgesellschaft genutzt werden.

Die Migranten Milieu Studie (früher: Sinus Studie) des Bundesverbandes Wohnen und Stadtentwicklung (vhw), belegt auf wissenschaftlicher Grundlage die Heterogenität der migrantischen Community, die sich kaum von der Heterogenität der Mehrheitsgesellschaft unterscheidet. Erkenntnisse wie z.B., dass ein sehr hohes Maß an gegenseitiger Übereinstimmung der Werte besteht, die Zahl der Potentialträger größer geworden ist und ein hohes Interesse an Bildung und Aufstieg besteht, muss durch eine entsprechende Kampagne deutlich gemacht werden.

Kinder aus migrantischen Familien müssen gestärkt werden. Sie bringen in den allermeisten Fällen beim Eintritt in die Kita bzw. in die Schule neben Kenntnissen der deutschen Sprache bereits eine zusätzliche ‚Fremdsprache‘ - ihre Familiensprache mit.
Diese Familiensprachen müssen
- in Kitas und Schulen zugelassen
- und zusätzlich durch geeignete Maßnahmen gefördert werden.

Antirassistische Arbeit stärken

Seit vielen Generationen (ca. 300 Jahren mit Beginn des Kolonialismus) werden insbesondere ‚weiße Menschen‘ rassistisch sozialisiert. Gleichzeitig ist ein Diskurs über den Rassismus in Deutschland aufgrund der Tabuisierung des Themas nach dem Ende des Faschismus äußerst schwer. Kulturell und ‚rassistisch‘ bestimmte Vorurteile sind aber nicht vorgegeben, sondern erlernt – d.h. sie können auch verlernt werden.

Die Förderung von rassismuskritischer Arbeit in Köln muss finanziell aufgestockt werden.
Dies bezieht sich auf Maßnahmen
- der Beratung bei Diskriminierung und rassistischen Vorfällen,
- des Empowerments für von Rassismus betroffene Kölner*innen,
- zur Sensibilisierung gegenüber rassistisch und kolonialistisch geprägten Vorurteilen und Denken.

Gleichbehandlung aller Kölner Bürger*innen und Institutionen sicherstellen

Der Gleichheitsgrundsatz aller Menschen gemäß Artikel 3 des Grundgesetzes ist von größter Wichtigkeit für unser soziales Zusammenleben. Ungleichbehandlung führt zu sozialen Spannungen und Konflikten.

Die Verwaltung muss – und dies ist Bestandteil der interkulturellen Öffnung – alle seine Bürger*innen und Institutionen konsequent gleich behandeln.
Dies heißt z.B. auch, dass in gleicher Weise, wie sich deutsche Vereine und Religionsgemeinschaften in Köln betätigen dürfen, auch muslimische bzw. nichtchristliche Vereine aktiv sein dürfen. Die Verwaltung muss darauf achten, dass die jeweiligen gesetzlichen Grundlagen für alle gleich gelten und nicht aufgrund von Vorurteilen und Nichtwissen mit zweierlei Maß gemessen wird.

Stärkung der politischen Partizipation - Stärkung des Integrationsrates Köln

Aufgrund der fehlenden Repräsentanz von Kölner Politiker*innen mit Migrationshintergrund im Rat (vermutlich ca. 9 %) und den Bezirksvertretungen (vermutlich ca. 6,6 %) ist das politisch gewählte Gremium Integrationsrat der einzige Ort, an dem die Belange der Kölner Migrant*innen auf Augenhöhe mit den Ratsmitgliedern politisch diskutiert und berücksichtigt werden können.
Dieser Diskurs unter Berücksichtigung seiner Ergebnisse in der Politik ist vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen von zentraler Bedeutung und Wichtigkeit.

Der Integrationsrat muss
- mehr Zuständigkeiten erhalten, um nicht ein (unattraktives) Alibigremium zu sein,
- strukturell durch Finanzierung von ausreichenden Mitarbeitenden (analog Fraktionsmitarbeitenden) in seiner politischen Arbeit gestärkt werden.

 

 

 


Abstimmungsergebnis:

 

Einstimmig zugestimmt mit einer Gegenstimme und vier Enthaltungen.