Beschluss: ungeändert beschlossen
Beschluss in der Fassung des gemeinsamen Antrages der
SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der
Fraktion Die Linke., der Gruppe Piraten und der Gruppe Deine Freunde:
Seit 2013 verhandelt die
EU-Kommission mit den USA über ein transatlantisches Freihandels- und
Investitionsabkommen „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ (TTIP).
Ein weiteres Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada - Comprehensive
Economic and Trade Agreement (CETA) - wurde zwischen 2009 und 2014 verhandelt
und muss durch das EU-Parlament und den Europäischen Rat sowie durch die
EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Außerdem wird derzeit ein Abkommen über
den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement, TiSA) verhandelt.
Hierunter fallen zahlreiche Vereinbarungen zwischen 23 Parteien, inkl. den USA
und der Europäischen Union, die das Ziel haben, Handelshemmnisse im
Dienstleistungssektor zu beseitigen.
Diese Verhandlungen werden ohne die notwendige Transparenz über Inhalte
und Verhandlungsmandate gegenüber den Parlamenten und der demokratischen
Öffentlichkeit geführt. Die Geheimhaltung der Verhandlungsdokumente
widerspricht demokratischen Prinzipien.
Vor diesem Hintergrund beschließt der Rat der Stadt Köln:
Die in Verhandlung befindlichen
Freihandelslabkommen bergen erhebliche Risiken für Dienstleistungen der
Daseinsvorsorge, die durch die Kommunen und ihre Unternehmen verantwortet und
erbracht werden. Beeinträchtigungen dieser für die Bürgerinnen und Bürger
wichtigen Dienstleistungen müssen ausgeschlossen werden. Ob Krankenhäuser,
Sparkassen oder die Vergabe öffentlicher Aufträge bei der Müllentsorgung, dem
ÖPNV, ob Trinkwasserversorgung, Gas- und Fernwärmenetz, Krankenhäuser, Museen, Theater
und anderweitige Kultureinrichtungen, ob Verkehr und Straßenbau bis hin zu
regionalen Lebensmitteln: Es ist zu befürchten, dass CETA, TTIP und TISA die
demokratische Handlungsautonomie von Kommunen deutlich einschränken und
weitreichende negative Folgen für die Unabhängigkeit der Justiz und für
europäische Standards im Sozialbereich und bei Gesundheits-, Verbraucher- und
Datenschutz, Umwelt- und Lebensmittelstandards haben würde.
Der Rat der Stadt Köln begrüßt die
von vielen Kölner Bürger/innen unterstützte Bürgereingabe zu den
Freihandelsabkommen, die darin ihre große Sorge zum Ausdruck bringen, dass „diese
Verträge einen massiven Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung“ darstellen
und daher abzulehnen sind, wenn sie „die Gestaltungsmöglichkeiten von Städten
und Gemeinden und ihrer Bürger und Bürgerinnen nachhaltig einschränken.“ Der
Rat folgt ihrem Anliegen, die Gewährleistung und Sicherung von sozialen,
ökologischen und demokratische Standards, kommunale Organisationsfreiheit und
Daseinsvorsorge gegenüber Parlamenten und Regierungen einzufordern.
Der Rat der Stadt Köln fordert die
Landes- und Bundesregierung sowie die Abgeordneten der Landtage, des Bundestags
und des Europäischen Parlaments auf, die Ratifizierung von CETA und jedes
weitere Abkommen, das die in dieser Erklärung dargelegten Maßgaben nicht
erfüllt, abzulehnen, sowie den Stopp von Verhandlungen zu den Abkommen TTIP und
TiSA zu veranlassen, solange die folgenden essentiellen Bedingungen nicht
erfüllt werden.
§
Insbesondere
CETA greift mit Regelungen in die kommunale Daseinsvorsorge ein, u.a. mit einer
Negativliste, die alle Bereiche listet, die von Marktzugangsbeschränkungen
ausgenommen werden. Dies wäre von erheblichem Nachteil für die Kommunen, da
auch die Daseinsvorsorge einem ständigen Wandel unterliegt. Stattdessen muss
die kommunale Organisationsfreiheit von
den Marktzugangsverpflichtungen in allen Freihandelsabkommen ausgeschlossen
werden.
§
Die
Abkommen enthalten Standstill- und
Ratchetklauseln (Sperrklinke). Die Standstill-Klausel legt fest, dass nach
Einigung auf einen Status der Liberalisierung dieser nie wieder aufgehoben
werden darf. Die „Sperrklinkenklausel“ regelt, dass zukünftige
Liberalisierungen eines Sektors automatisch zu neuen Verpflichtungen werden.
Solche Klauseln sind strikt abzulehnen. Es muss zudem sichergestellt werden,
dass Rekommunalisierungen jederzeit und uneingeschränkt möglich bleiben. Der
öffentliche Dienstleistungssektor und die demokratisch legitimierte kommunale
Selbstverwaltung dürfen keinesfalls zugunsten partieller wirtschaftlicher
Interessen und damit zu Lasten der Daseinsvorsorge in Deutschland
beeinträchtigt werden.
§
Die
Handelsabkommen bestimmen, welche Dienstleistungen von Kommunen erbracht werden
dürfen und welche dem Wettbewerb unterliegen müssen. Dies kann nahezu alle
bisher öffentlichen Dienstleistungen umfassen und die Bevorzugung regional
tätiger Anbieter bei öffentlichen Aufträgen ausschließen, da von einem
bestimmten Schwellenwert an Aufträge nicht nur EU-weit sondern auch im Land des
Vertragspartners ausgeschrieben werden müssen. Der politische Gestaltungswille
darf in Hinsicht auf das öffentliche
Beschaffungswesens nicht stärker eingeschränkt werden, als es nationale
Regelungen und das europäische Vergabe- und Konzessionsrecht bereits heute
vorsehen.
§
Die
TTIP-Investitionsschutzregelungen
werden voraussichtlich dazu führen, dass die Entscheidungsfreiheit der Kommunen
eingeschränkt wird, weil sie Schadensersatzansprüche von Investoren befürchten
müssen. Bei TTIP und CETA sollen internationale Konzerne ein Sonderklagerecht
gegen beschlossene Gesetze und kommunalen Beschlüssen erhalten, die vor
privaten Schiedsgerichten verhandelt werden. Dies hebelt rechtsstaatliche
Verfahren in Europa aus. Auf spezielle Investorenschutzregelungen und
Schiedsgerichte muss daher gänzlich verzichtet werden. Stattdessen soll auch
auf Investoren aus Drittstaaten ausschließlich der demokratisch legitimierte
Rechtsschutz nationaler und EU-Gerichte gelten.
§
Der
Abbau von Handelshemmnissen soll nicht zu Lasten von europäischen Sozial-,
Gesundheits-, Verbraucher- und Datenschutz, Umwelt- und Lebensmittelstandards
erfolgen. Dies betrifft nahezu alle Lebensbereiche vom Erhalt regionaler
Kennzeichnungen über Einsatz von Gentechnik bis hin zu Arbeitsrecht und
-schutz. Das europäische Vorsorgeprinzip
als grundsätzliches Prinzip im Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz soll
uneingeschränkt erhalten bleiben.
Die Transparenz und Beteiligung soll verbessert werden, u. a. indem
Vertreter/innen der kommunalen Ebene neben dem TTIP-Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums
unmittelbar in die Beratergruppen der EU-Kommission integriert werden.
Abstimmungsergebnis:
Mehrheitlich mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der CDU-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der Fraktion Die Linke., der Gruppe Piraten, der Gruppe Deine Freunde sowie bei Stimmenthaltung der Gruppe pro Köln zugestimmt.