Beschluss: endgültig abgelehnt


Ziffer 1 des Beschlusstextes wird wie folgt ersetzt:

Das bunte und vielfältige Leben in Köln braucht nicht mehr Verbote und Einschränkungen. Störungen und Missstände müssen aber konsequent erfasst und geahndet werden. Bevor neue weitreichende Ver- und Gebote erlassen werden, müssen erst die bereits bestehenden Regelungen ausgeschöpft und ggf. bestehende Umsetzungsdefizite abgebaut werden.

 

Die Verwaltung wird deshalb beauftragt, die Satzung zur 1. Änderung der Kölner Stadtordnung (KSO) unter Berücksichtigung der Maßgaben aus dem Begründungstext zu überarbeiten und den Bezirksvertretungen und dem Rat erneut zur Entscheidung vorzulegen.

 

Folgende Maßgaben sind bei der Novellierung zu beachten:

 

Der Kölner Stadtordnung kommt eine wesentliche Funktion im Rahmen der Nutzung des öffentlichen Raums zu. Sie soll u.a. einen Ausgleich zwischen widerstreitenden Interessen schaffen, z.B. dem Schutz vor Lärmemissionen von Anwohner auf der einen Seite und der Darbietung von Straßenmusik auf der anderen Seite. Sie ist aber zugleich auch ein Indikator dafür, welche Regeln sich eine Stadtgesellschaft für ein Miteinander geben möchte. Nach den fürchterlichen Ereignissen in der Silvesternacht hat sich gezeigt, dass die objektive Sicherheitslage in Köln verbessert werden muss – und mehr noch, den Kölnerinnen und Kölnern das Vertrauen in die Sicherheitskräfte in Köln zurückgegeben werden muss. Dazu gehört auch, dass Missstände und störendes Verhalten im öffentlichen Raum konsequent beseitigt bzw. unterbunden werden. Das darf aber nicht dazu führen, dass nun jegliche Lebendigkeit, Offenheit und Diversität von den Kölner Straßen und Plätzen wegreglementiert wird. Es darf nicht zu Lasten der Schwachen und Hilfsbedürftigen gehen. Die Neuregelungen in der KSO, insbesondere hinsichtlich der zusätzlichen Ge- und Verbote, schießt hier deutlich über das Ziel hinaus. Denn bereits jetzt bestehen weitreichende Ge- und Verbote. So ist z.B. Straßenmusik in der zweiten Hälfte einer vollen Stunde untersagt. Schon jetzt müssen Straßenmusiker nach einer halben Stunde ihren Standort wechseln. In der Bevölkerung besteht allerdings der Eindruck, dass Verstöße gegen diese Regeln nicht konsequent geahndet werden, wie die aktuelle öffentliche Diskussion zur Novellierung der KSO dokumentiert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, woran das liegt und was getan werden muss (zusätzlicher Einsatz von Ordnungskräften, Schulung der Ordnungsdienstmitarbeiter/innen …) damit das Kölner Stadtrecht effektiv umgesetzt werden kann. Vorschriften bringen nur etwas, wenn die Stadt auch bereit und in der Lage ist, sie durchzusetzen. Vielfalt bei der Straßenmusik erhalten – Betroffene vor Lärm schützen Das uneingeschränkte Verbot des Einsatzes von Lautsprechern und elektronischen Verstärkern gemäß § 9 Abs. 1 KSO neue Fassung (n.F.) geht zu weit. Es bleibt unberücksichtigt, dass verschiedene musikalische Darbietungsformen ohne den Einsatz von elektronischen Geräten nicht oder nur eingeschränkt möglich sind. Oft liegt dabei der Fokus nicht einmal auf der reinen Erhöhung der Lautstärke, sondern auf der Besonderheit der betreffenden Kunstform. Zudem berücksichtigt das Verbot nicht, dass auch bei Einsatz von Lautsprechern und elektronischen Verstärkern die Einhaltung des Lärmschutzes möglich ist. Für Musikdarbietungen ist ausweislich der Begründung zu § 9 Abs. 1 KSO (Anlage 2) ein neues Messverfahren vorgesehen. Die Lautstärke eines „traditionellen“ Musikinstrumentes kann die Lautstärke eines Verstärkers, der beispielsweise zur musikalischen Untermalung einer Performance eingesetzt wird, deutlich übertreffen. Daher ist die Überprüfung einer absoluten Lärmobergrenze ein probateres Mittel als das grundsätzliche Verbot von Lautsprechern und elektronischen Verstärkern. Das gilt jedenfalls dann, wenn die elektronischen Komponenten wesentliches Merkmal der Musik- bzw. Kunstform ist und nicht nur der reinen Vervielfachung der Lautstärke dienen. Zu laute und störende Musik muss in jedem Fall – unabhängig von der Darbietungsform – zum Schutz der Anwohner und sonstigen Betroffenen unterbunden werden.

 

Für den Erhalt von Straßenmusik, Straßenschauspiel und andere Straßenkunst im Domumfeld

Gleiches gilt für das Verbot von Straßenmusik, Straßenschauspiel und anderer Straßenkunst im Domumfeld nach § 9 Abs. 2 KSO n.F. Straßenkunst gehört zur Kölner City – und auch zum Domumfeld. Sie macht das Domumfeld lebendig. Gerade die Domplatte in ihrer heutigen Gestalt öffnet Raum für Performance und Interaktion. Eine triste, totberuhigte Domplatte kann nicht das Ziel sein. Deshalb gilt es auch hier das Augenmaß zu behalten. Die KSO in der aktuellen Fassung gibt den Ordnungskräften bereits jetzt ausreichend Handhabe, um tatsächlich störendes oder schädliches Verhalten, wie z.B. „Wildpinkeln“, Ruhestörungen oder die Störung von religiösen Veranstaltungen, zu ahnden. Eine konsequente Ahndung solcher Verstöße ist dringender geboten als ein Verbot von Straßenkunst im Domumfeld. Es ist nicht ersichtlich, warum z.B. von Pflastermalerei oder Seifenblasenkunst eine Gefahr für die Würde der Hohen Domkirche und dem Umgang unserer Stadt mit dem UNESCO Welterbe ausgehen soll. Sollten sich konkrete Sicherheits- oder Gefährdungslagen durch Straßenkunst ergeben (z.B. Störung der Fußgängerströme durch übermäßige Inanspruchnahme von Verkehrsflächen oder ausufernde Junggesellen/innenabschiede) kann bereits auf Basis der bestehenden Regelungen eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.

 

Alkoholkonsumverbot mit Augenmaß – Kein Aus für das „Wegebier“

Das Verbot von Alkohol und Drogenkonsum in unmittelbarer Umgebung von Kindergärten und Schulen gemäß § 11 a KSO n.F. ist im Grundsatz richtig. Kinder und Jugendliche sind insbesondere im schulischen Umfeld vor den negativen Auswirkungen und der Signalwirkung von Alkohol- und Drogenkonsum zu schützen. Diese Zielrichtung verfolgt auch die Regelung im Werbenutzungsvertrag, nach der Werbung für Suchtmittel im Umfeld von Schulen und ausgesuchten Kinderspielplätzen in einer Sichtweite von bis zu 200 m unzulässig ist. Vorliegend ist aber eine differenzierte Betrachtung möglich und erforderlich, um eine sachgerechte Abwägung der unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen. Es dürfen auf diesem Wege nicht mittelbar allgemeine Alkoholkonsumverbotszonen für weite Teile des Stadtgebiets geschaffen werden, an deren Voraussetzungen die Rechtsprechung sehr hohe Anforderungen stellt. Für einen Schutz der Kinder und Jugendlichen ist es ausreichend, wenn ein Alkohol- und Drogenkonsumverbot sich auf das unmittelbare zeitliche und räumliche Umfeld der bestimmungsgemäßen Nutzung von Schulen und Kindertagesstätten beschränkt. In zeitlicher Hinsicht bietet sich ein Verbot für bestimmte Tage (z.B. werktags) und generalisiert innerhalb der regelmäßigen Benutzungszeiträume an. Gleiches gilt für die räumliche Ausdehnung. Ein Verbot in einem Umkreis von 100 m erscheint nicht sachgerecht, insbesondere nicht im Innenstadtbereich, wo es aufgrund der Verdichtung und der unterschiedlichen Nutzerinteressen unweigerlich zu Konflikten kommen muss und eine konsequente Durchsetzung auch nicht praktikabel oder überhaupt möglich ist. Es sind zudem keine Gründe benannt, die einen solch ausgedehnten Radius rechtfertigen könnten. Soweit es gilt, Kinder und Jugendliche vor den unerwünschten Begleiterscheinungen des Alkohol- und Drogenkonsums (Flaschen, Glassplitter, Zigarettenkippen, Spritzbestecke und dergleichen) vor Ort zu schützen, reicht eine räumliche Begrenzung auf den eigentlichen Schul- bzw. Kindertagesstättenstandort aus. Ergänzend sollen in die Regelung die Spiel- und Bolzplätze aufgenommen werden. Hier besteht eine vergleichbare Gefährdungs- und Interesselage wie bei Schul- und Kindertagesstättenstandorten. Bisher beschränkt sich das Alkohol- und Drogenverbot auf die Flächen der Spiel- und Bolzplätze an sich. Es ist sinnvoll auch hier die unmittelbare Zuwegung und die Eingangszonen zu schützen.

 

Bedürftige dürfen nicht unter Pauschalverdacht geraten

Die Problemanzeige, die hinter § 11 a KSO n.F. steht, ist nachvollziehbar. Allerdings sind die beschriebenen Formen des Bettelns vage. Wenn beispielsweise gegen das Betteln durch bedrängendes Zusammenwirken mehrerer Personen vorgegangen werden soll, stellt sich die Frage nach dem Abgrenzen von erlaubten und unerlaubten Verhaltensweisen: Ist schon das Zusammensitzen mehrerer Personen, die um Geld betteln, ein bedrängendes Zusammenwirken? Was macht das Zusammensitzen/-stehen zu einem bedrängenden Zusammenwirken – und was unterscheidet es beispielsweise von einer Nötigung, die schon jetzt strafbar ist? Gleiches gilt für die Rede vom „aggressiven Betteln“ – eine Formel, die häufig gebraucht, aber selten konkretisiert wird.

Auch soll in § 11 a KSO n.F. das Betteln in Form von körperlichen Behinderungen und sozialen Notlagen untersagt werden. In der Praxis und in der alltäglichen Begegnung darüber zu entscheiden, ob eine Notlage echt oder vorgetäuscht ist, kann aber nicht dem Ermessen des Ordnungsamtes überlassen bleiben. Bedürftige hat es schon immer im Zentrum der Städte gegeben – und auch das Phänomen des Vortäuschens von Notlagen und körperlicher Gebrechen ist alt. In diesem Sinne darf die KSO nicht zu einem Instrument werden, welches dabei hilft, Bedürftige oder Lebensstile, die nicht dem Mainstream entsprechen, aus der Mitte unserer Stadt zu verdrängen. Deshalb ist der Neuentwurf der KSO auch in diesem Kontext dahingehend zu überprüfen, inwieweit das vorhandene Instrumentarium – angewendet – nicht ausreicht, negative Phänomene des Bettelns zu korrigieren.

 




Abstimmungsergebnis:

Mehrheitlich abgelehnt gegen die Stimmen der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Deine Freunde.